HiStory 

 

Übersicht meiner Kurzgeschichten in chronologischer Reihenfolge ihrer Entstehung seit 2002

 

2002 war - nach einer schöpferischen Pause von 36 Jahren - das Jahr meines Comebacks. Von dem Wenigen an SF, was ich in der Zwischenzeit gelesen hatte, faszinierte mich die Idee der Virtuellen Realität, neudeutsch Cyberspace, ganz besonders: Sie lag nicht in der unendlichen Weite des Universums, sondern schien mir in greifbarer Nähe, wenn auch in einem anderen Kontinuum.

 

VR ist das Reich der unbegrenzten Möglichkeiten, die Droge der Zukunft, die es uns erlauben wird, den Zwängen des Alltags zu entfliehen und alles auszukosten, was uns im normalen Leben verwehrt ist. Die Sexualität - seit Menschengedenken stärkste Triebfeder - wird dabei alles beherrschend sein. Und so verfasste ich meine erste Erzählung "Schlaraffenland" (2002). Sie handelt von einem jungen Mann, der seiner gewaltigen Leibesfülle wegen ans Bett gefesselt ist, aber in einer Klinik als neuer Mensch wiedergeboren wird. Er verliebt sich, schwankt im Rahmen seiner Reha zwischen Realität und Virtualität, wobei er wahlweise Freuden und Enttäuschungen erfährt, bis er letztere nicht mehr erträgt und in eine virtuelle Welt flüchtet, um für immer in seinem "Schlaraffenland" zu bleiben.

 

Kaum hatte ich diese Novelle, eigentlich ein Kurzroman, geschrieben, erkannte ich zweierlei: Erstens wäre sie zu lang für jedes normale Magazin, zweitens wäre das Thema damit noch lange nicht ausgeschöpft, so viele Ideen stürmten auf mich ein. Was lag da näher, als rund um das Thema "Cybersex" weitere Storys zu schreiben und damit einen ganzen Erzählband zu füllen? Also entwarf ich eine Art History der VR, beginnend von der nahen Zukunft, in der Brille und Handschuh von einem Ganzkörperanzug ersetzt werden, über die nächsten 200 Jahre hinweg bis zur totalen Vernetzung und Denaturalisierung. So kamen neun weitere Erzählungen hinzu, gesammelt unter dem Titel "Sex, Love, Cyberspace" (2002), auf die am Ende dieser Auflistung noch eingegangen wird.

 

Da ich schon mal beim Thema "Sex" war, beschrieb ich als nächstes in der Novelle "Gepriesen sei die Grosse Mutter" (2002) eine Kolonie, die, getrennt vom Mutterplaneten Erde, sich durch genetische Eingriffe zum Matriarchat gewandelt hat und unter dem Kommando einer weiblichen Priesterschaft fremdartige sexuelle Praktiken und Rituale ausübt.

 

Ein altes Thema, aber vielleicht schon bald brandaktuell, sollte meine nächste Story "Offline" (2002) behandeln: Was passiert, wenn man plötzlich, aufgrund eines Störfalls, vom allgegenwärtigen Netz genommen wird, seine Identität verliert und völlig auf sich allein gestellt ist?

 

Nun ging´s ab in den Weltraum. "Universal Soldier" (2002) heißen meine menschlichen Kampfmaschinen in einem intergalaktischen Krieg, die, wenn sie nicht mehr zusammengeflickt und revitalisiert werden können, geklont und mit alten "Backups" wieder in die Schlacht geworfen werden, wobei ihre Kampferfahrung jeweils verloren geht. Laufende "Memory-Updates" sollen dem Abhilfe schaffen, haben aber eine Traumatisierung zur Folge, am Ende taugen die U.S. nur noch als "Kanonenfutter" (was mich veranlasste, den Titel auf Nämliches zu ändern).

 

Die Anfrage für eine Drachen-Anthologie brachte mich dazu, "Loris Wunderland" (2002) zu schreiben. Beeinflusst von Jerome Bixbys "It´s a Good Life" wählte ich die Form der "Fantasy Fiction". Lori, ein Wunderkind, kann ihre Fantasie Gestalt werden lassen, mit dramatischen Folgen: sie gipfeln in der Erschaffung eines feuerspeienden Ungeheuers; fatal wäre es aber, dieses anzugreifen, denn Lori könnte im Gegenzug die ganze Welt in ein Fantasieland ihrer Wahl verwandeln.

 

Auch Wilson Tucker hatte mit "Tourist Trade" seine Spuren bei mir hinterlassen; so entstand "Immer wieder Sonntag" (2002), eine Story mit Witz und Ironie über Touristen aus der Zukunft, die unsere barbarische Ära und ihre Zeitgenossen bestaunen. Aufgrund einer Anomalie ist eine von ihnen besuchte Familie in einer Zeitschleife gefangen, sie macht aber das Beste daraus.

 

In "Körper zu vermieten" (2002) geht es um einen sogenannten Mietnomaden, der sich als Untermieter in einem Wirtskörper einnistet und darin so rücksichtslos haust, dass der Wirt die Flucht nach vorn antritt und selbst auszieht - in einen Drittweltkörper: Witz gepaart mit einer Portion Derbheit.

 

"Mutter Erde, Vater Kosmos" (2002) lautete die nächste Story, eine Novelle, die ich als "Earth Opera" konzipierte. Sie handelt von einem posthumanen, gestaltwandelnden Raumfahrer, der auf seinem Geburtsplaneten Erde während des Landgangs allerlei wilde Abenteuer erlebt, sich aber dank seiner Fähigkeiten aus den Fängen von Organ- und Körperhändlern befreien kann.

 

Es folgte wieder eine Novelle. In "Geschenk von den Sternen" (2002) fragte ich mich, was würden wir wohl anstellen, wenn ein außerirdisches Artefakt, ein Materie-Transmitter-Duplikator, uns in die Lage versetzte, alles Gewünschte durch bloße Umwandlung zu erzeugen. In meiner Geschichte streut eine Sonde solche Artefakte über die ganze Welt, mit dramatischen Folgen. Es stellt sich die Frage, ob dies ein Test, eine Entwicklungshilfe oder ein Trojanisches Pferd ist.

 

Zurück zur IT und dem Cyberspace handelt "Speck für die Maus" (2002) von einem Wohnungsangebot, das sich als Spam-Falle herausstellt, in der ein virtueller Verkäufer bei der virtuellen Besichtigung alle Register zieht, um dem ahnungslosen Interessenten allerlei Verträge für Produkte und Leistungen anzudrehen. Ironie gepaart mit schwarzen Humor.

 

Mit "Ein Programm zum Verlieben" (2003) griff ich nochmals das Thema "Cybersex" auf. Eigentlich ein Vorläufer von "Sex, Love, Cyberspace", erzählte ich darin die zukunftsnahe Geschichte eines Studenten, der sich in eine KI verliebt und verzweifelt, als die allzu menschliche Software einem rein kommerziellen, seelenlosen Pornoangebot weichen muss.

 

In "Stimme des Gewissens" (2003) beschrieb ich eine Zukunft, in der die geistige Erziehung Sache von künstlichen im Gehirn aufgeschalteten Intelligenzen ist, die einem auch dann nicht ganz verlassen, wenn man sie bei Volljährigkeit abschaltet. Die Story gibt einen düsteren Ausblick auf die zukünftige Rolle der Eltern und einer Brave New World.

 

Immer noch unter dem Einfluss der neuen Medien beschrieb ich in "Download" (2003) ein Endzeitszenario, in welchem ein Todgeweihter der brutalen Wirklichkeit entflieht - in elektronisch gespeicherte Erinnerungen. Ein Verwirrspiel aus Rückblenden und Momentaufnahmen.

 

Als ob ich es geahnt hätte - in der Tat zeichnete sich ein baldiges Hinscheiden von Johannes Paul II. ab -, beschrieb ich in "Habemus papam" (2003) das erzkonservative, jedoch den veränderten Bedingungen angepasste Prozedere um eine Papstwahl anno 2866, zu welcher neben Frauen auch Aliens und künstliche Intelligenzen zugelassen sind. Dass der verstorbene Papst in der Story Benedikt XVII. heißt, ist reiner, aber kurioser Zufall.

 

Die Rahmenhandlung von "All inclusive" (2003) - ein ältliches Ehepaar gewinnt eine Traumreise, die sich als Trip in den Cyberspace entpuppt - hatte ich bereits ein Jahr zuvor. Für den Part der alten Dame (eine Reise ins Fantasyland) konnte ich Uschi Zietsch gewinnen, für jenen des alten Herrn (die Teilnahme an einer Raumschlacht), Ernst Vlcek, beides arrivierte Autoren.

 

"Personal Android" (2003) ist einmal mehr ein amüsantes Verwirrspiel um androide Stellvertreter, um Seitensprünge zu kaschieren.

 

In "Zeitbeben" (2003) griff ich eines meiner Lieblingsthemata auf, die Zeitreise. Protagonist ist in diesem Fall ein schriftstellerndes Alter Ego meiner Selbst, das durch eine Anomalie - ein "Zeitbeben" - von der Gegenwart in die Zukunft, wo er von seinem Unfalltod erfährt, von dort in die Vergangenheit und schließlich wieder zurück in die Gegenwart geschleudert wird, wie bei einem Pendel. Die Story sollte der Auftakt zu weiteren Erzählungen um dieses Phänomen werden ...

 

Meine Katzen hatten mich zur nächsten Geschichte "Incommunicado" (2003) animiert. Gibt es eine Verständigung zwischen grundverschiedenen Spezies wie zwischen uns Menschen und unseren Haustieren? - In meiner Novelle wird eine ganze Familie von Aliens plötzlich in eine fremdartige Umgebung versetzt, ohne zu wissen, wie ihr geschieht, und alle ihre Versuche zu kommunizieren, schlagen fehl. Aber das Unverständnis ist beidseitig.

 

Wieder hatte mich eine Story aus meiner Jugendzeit inspiriert, diesmal "Hobson´s Choice" von Alfred Bester. In meiner Erzählung "Zur falschen Zeit" (2004) lässt sich der todgeweihte Protagonist einfrieren in der Hoffnung, in einer besseren, einer medizinisch fortschrittlicheren Zeit aufzuwachen. Doch keine Epoche erweist sich als die ideale, stets hat sie einen Haken oder er meint etwas zu verpassen. Darin thematisiere ich meine eigene Frustration darüber, zu früh für all die wundersamen Fortschritte in Wissenschaft und Technik, welche die Zukunft bereit hält, geboren zu sein...

 

Auch "Ruhe in Frieden" (2004) spricht von meiner Sehnsucht nach einer Verlängerung des Lebens. In dieser Story werden in Rückblenden die verschiedenen Etappen, einhergehend mit der fortschreitenden technologischen Entwicklung, im Leben eines alten Mannes aufgezeigt, der sich entschließt, statt ein weiteres Mal geklont zu werden, in einer mechanischen Hülle ein zeitlich schier unbegrenztes Leben zu bestreiten.

 

In "Zum Abschuss freigegeben" ( 2004) widme ich mich wieder einem aktuellen Thema, dem der Überalterung. Hier vermische ich politische Aussagen über das Rentensystem und der zunehmenden Gewaltbereitschaft mit der staatlich sanktionierten Jagd auf ältere Menschen, die nicht bereit sind, ins elektronische Jenseits abzutreten.

 

Die nächste Story "Le dernier cri" (2004) entstand, als ich Gelegenheit erhielt, einen Beitrag zu einer Themen-Anthologie einzureichen. In ihr führt eine Schönheit ihrem ältlichen Liebhaber die neueste, auf Nanotechnologie basierende Bekleidungsmode vor - mit höchst erotisierendem Erfolg.

 

Inspiriert von Simaks "City"-Geschichten (aber vom Titel her auch von Harlan Ellisons "A Boy And His Dog") schrieb ich "Ein Hund und sein bester Freund" (2005). Ein genmutierter Hund und ein antiquierter Roboter streifen gemeinsam durch die von Menschen verlassene, trostlose Welt und helfen einander zu überleben. Was jeder vom andern weiß, aber nicht ausspricht, ist, dass sie nur das liegengelassene Spielzeug von Menschen sind.

 

Und nochmals das Lieblingsthema aus meiner Jugendzeit: "Die Tücken der Zeit" (2005). Es geht um Liebe, um Eifersucht, um Hass und um Paradoxa, mit denen ein Zeitpolizist konfrontiert ist bei dem vergeblichen Versuch, den Lauf der Dinge zu seinen Gunsten zu ändern.

 

Und ein weiteres Mal, bestimmt nicht das letzte, dass ein Zeitreisender darin eine Rolle spielt: In "Goodbye James!" (2006) geht es um die Verwechslung eines Koffers, der, angefüllt mit allerlei futuristischen Gerätschaften eines Zeitagenten, in die Hände eines unbedarften Vertreters fällt. Was Wunder, wenn er sich wie James Bond wähnt... aber seine Überraschungen erlebt.

 

Zum Schluss noch ein Zusammenfassung der übrigen 9 in "Sex, Love, Cyberspace" (2002) enthaltenen Erzählungen:

 

"Safer Sex" betreiben Teenies nicht mit Kondomen, sondern sicher im Cyberspace. - In "Szenen einer Ehe" divergieren die Wünsche der Ehepartner; während der Mann im VR seine Fantasien ausleben kann, muss die Frau, die auf Natürlichkeit steht, zurückstecken. - Eine Hommage an Erich von Däniken ist "Bermuda-Dreieck", das in seinem Mystery-Park spielt (der real kurz vor der Eröffnung stand): Im Cyberspace geht ein Vergewaltiger um. - Die romantische Seite klingt in "Romanze in e-moll" an, einer Liebesgeschichte zwischen Nachbarn, die nur über VR zueinander finden. - Nach "Scharaffenland" folgt der Krimi "Spinne im Netz" um eine Frau, die aus Hass auf die Männer selbige mordet. - "Rache ist süß" sagt sich ein gehörnter Ehemann und rächt sich stellvertretend an der virtuellen Partnerin. - In "Cogito ergo sum" lässt ein Mann seine nicht erwiderte Jugendliebe als KI auferstehen, die aber zu eigenem Bewusstsein erwacht. - Auch "Für immer und e-wig" handelt, wie manche meiner Storys, vom Weiterleben nach dem Tod, nämlich im Cyberspace, womit eine irdische Liebe nicht automatisch endet. - In "Wir sind doch keine Wilden!" schließlich stoßen die neuen Nachbarn mit ihrer Naturverbundenheit auf Ablehnung und Vertreibung aus dem Hightech-Paradies.