"Your enterprise with NOVA will be much admired. SFfans have always had to do things for themselves - it's part of a noble tradition. Good luck with the new publication!"
Brian W. Aldiss an die NOVA-Redaktion

 

Als die Generation der heute etwa Fünfzigjährigen die Science Fiction entdeckte, galt SF als eine Lektüre für Spinner und Mondsüchtige. (Von Literatur zu sprechen, hätte damals niemand gewagt.) Im deutschen Sprachraum gab es SF vorwiegend an Kiosken und in Leihbüchereien: bunte Heftchen und dickleibige, auf billigem Papier gedruckte Wälzer, deren Schutzumschläge von Raketen, Kerlen in klobigen Raumanzügen und monströsen Lebensformen strotzten.

 

Das änderte sich Anfang der Siebzigerjahre: Die erste Generation der SF-Leser war erwachsen geworden und zog in die Lektoratsstuben der Verlage ein, die SF herausbrachten, sich aber mit Auswahl und Präsentation schwer taten. Die Leihbücher waren inzwischen den Weg alles Vergänglichen gegangen; der Heftchenmarkt, von einigen kommerziell erfolgreichen Serien abgesehen, schaute dem Tod ins Auge.

 

Doch kaum hatte sich herumgesprochen, dass hinter SF mehr steckt als bunter Weltraum-Krakenquatsch, kam der Rückschlag fürs Image, von dem sich die SF hierzulande nie erholt hat. Mit den Kino-Blockbustern von Steven Spielberg und George Lucas wurden auf Jahrzehnte hinaus Erwartungshaltungen geprägt, denen die literarische SF weder gerecht werden konnte noch wollte. Nachdem sich Spielberg längst zum seriösen Regisseur gemausert hat, nachdem wir einige Beispiele für den fruchtbaren Austausch zwischen SF und Film gesehen haben (denken wir an Blade Runner oder Twelve Monkeys), sind die Rezepte der High-Budget-Spektakel weiterhin Vorbild für die Filmemacher. Immer mehr vom Gleichen, lautet das Motto. Nach dem Buch zum Film. kam das Buch zum noch nicht gedrehten Film - in Gestalt von Romanen, die irgendwas mit Filmen zu tun haben. In den Achtzigerjahren machte sich das Buch zum noch nicht gedrehten Film selbstständig: Als die Verleger erkannten, dass sich von diesem Zeug zehnmal mehr verkaufen lässt als von den komplizierten Büchern, die Brunner, Aldiss, Dick oder Sturgeon schrieben, vergaßen sie alle literarischen Ambitionen. Sie bliesen ihr Programm mit leicht konsumierbarem Schrott auf: Endlose Serien und Zyklen, keine Trilogie mehr unter fünf Bänden. Wer geistig gern die Hausschuhe anbehält (um eine Formulierung von Wolfgang Jeschke zu gebrauchen), findet irgendwo zwischen Star Trek und Scheibenwelt sein Zuhause.

 

Nun haben Strohfeuer es an sich, dass sie irgendwann verlöschen. Die Leser des noch nicht verfilmten Buches wenden sich anderen Dingen zu - wozu überhaupt noch lesen? Wozu gibt's Computerspiele, Videos und die neusten DVD-Schwarzkopien aus dem Netz? Über den Auflagenschwund brauchen sich die SF-Verlage nicht zu wundern. Woher soll ein Publikum für literarische SF kommen, wenn man es jahrelang nicht gepflegt hat? Das von Filmproduzenten erweckte und von Verlegern aus Gründen der Gewinnmaximierung vorangetriebene Interesse an Serienliteratur ist ein Rohrkrepierer: Die Risikominimierung und die Konzentration auf bekannte Serien sowie auf wenige Bestsellerautoren hat zu einem ungeheuren Titelausstoß und gleichzeitig zur Verarmung des literarischen Angebots geführt. An ernsthafter SF interessierte Leser wenden sich von dieser Konsumlektüre ab. Die Publikation "echter" SF hat im deutschen Sprachraum derzeit wohl ihren Tiefstpunkt erreicht. Besonders gebeutelt ist die Kurzgeschichte, die immer das Rückgrat der SF war, aber eine durch Serienliteratur geprägte Leserschaft nicht anspricht - denn es ist verdammt schwierig, sich alle paar Seiten eine neue Welt vorzustellen, in der keine strahlenden Helden auftauchen, die man schon aus Filmen oder Fernsehserien kennt. Auch wenn die Welt heute scheinbar von SF wimmelt - das meiste davon gehört in die Kategorie, die wir mit dem Etikett "sci-fi" belegen (in SF-Kreisen ein echtes Schimpfwort): Billig hingerotzter Kram von Leuten, die nicht mal ahnen, dass SF-Autoren schon in den Fünfzigerjahren aus denselben Ideen zehnmal Besseres gemacht haben. Gestandene Autoren werfen resigniert den Griffel hin und betätigen sich in anderen, vielleicht profitableren Gefilden. Die starken Umsatzrückhänge verhindern das Erscheinen von Anthologien, in denen neue Autoren ihre ersten Schritte machen können. Junge Talente haben kaum noch eine Chance, sich zu profilieren. In Deutschland droht eine lange Tradition der SF-Story abzureißen.

 

Es gibt jedoch einige unverbesserliche Optimisten, die davon überzeugt sind, dass keine Entwicklung in einer Einbahnstraße verläuft, dass auf jede Bewegung eine Gegenbewegung folgt, dass sich auch dieser Trend irgendwann umkehren wird. (Einige dieser Optimisten finden Sie in der NOVA-Redaktion.) Deshalb wollen wir mit diesem Magazin versuchen, das Jammertal der deutschen SF zu überbrücken. Es ist unser Ziel, mit NOVA, das dreimal im Jahr erscheinen soll, an die Tradition innovativer amerikanischer SF-Magazine wie Galaxy anzuknüpfen und den Autoren und Zeichnern der deutschsprachigen SF ein Forum zu bieten. Frühere Magazine dieser Art sind in der Regel an mangelndem finanziellem Rückhalt und (nicht zu unterschätzenden) Vertriebsproblemen gescheitert. Aber die Zeiten haben sich geändert, und gerade die neuen Medien, die der SF das Leben sonst so schwer machen, sind eine echte Chance für eine Publikation wie die unsere. Mit dem Book on Demand-Verfahren lassen sich Produktionskosten drastisch senken, und das Vertriebsproblem ist gleich mit gelöst.

 

Wir wollen anspruchsvolle, gut geschriebene, unterhaltsame SF-Stories veröffentlichen und eine so breite Leserschaft gewinnen, dass wir über die Deckung der Selbstkosten hinaus unseren Mitarbeitern irgendwann Honorare zahlen können, und zwar rückwirkend ab der ersten Ausgabe - damit es sich auch für Profis lohnt, weiterhin SF zu schreiben, und als Ansporn für alle übrigen. Dazu benötigen wir Leser, denen es nicht schnurz ist, was mit der deutschsprachigen SF geschieht. Wir brauchen Leser, die sich gern darauf einlassen, alle paar Seiten auf eine neue Welt zu stoßen; Leser, denen die Serienlektüre zum Halse heraus hängt, weil es sie langweilt, sich in Welten aufzuhalten, die ihnen bekannter sind als ihr eigenes Wohnzimmer. Wer sein Scherflein dazu beitragen will, möge NOVA abonnieren und in seinem Freundes- und Bekanntenkreis die Werbetrommel rühren.

 

Für die Redaktion, die Autoren und Künstler, die sich die Aufgabe gestellt haben, Zeit und Geld zu investieren, wäre es der schönste Lohn, wenn die Leser NOVA auch zu ihrem Anliegen machen.


Ronald M. Hahn
Michael K. Iwoleit
Helmuth W. Mommers

© 2002 by Verlag Nummer Eins für NOVA 1